Auf der Potsdamer Konferenz am 2. August 1945 einigten sich die Alliierten darauf, die in den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie in ostmittel- und südosteuropäischen Ländern lebenden Deutschen in geordneter und humaner Weise in die vier Besatzungszonen zu „überführen“.1 Die meist nur mit wenigen Habseligkeiten im Altkreis Böblingen und Landkreis Leonberg eintreffenden Flüchtlinge und Vertriebenen wurden erst auf die Durchgangslager Unterjettingen und Malmsheim verteilt, schließlich vorrangig den von größeren Zerstörungen verschonten, ländlichen Gemeinden zugewiesen.2 Gewachsene Gemeinschaften wurden bei der Zuweisung nicht berücksichtigt.3
Bereits 1946 betrug die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge und Vertriebenen im Altkreis Böblingen und Landkreis Leonberg beinahe 21.000.4 Die Gemeinden mussten die Unterbringung der Aufzunehmenden selbst organisieren – was alle Beteiligten vor große Herausforderungen stellte. Viele wurden in Privathäuser der Alteingesessenen einquartiert und teilten sich mit ihnen den Wohnraum, was zwangsläufig zu Spannungen führte. Mit dem beginnenden Wirtschaftsaufschwung – der Marshall-Plan und die Währungsreform vom 18. Juni 1948 schufen die Basis dafür – verbesserte sich auch die Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen allmählich. 1950 erreichte die westdeutsche Industrieproduktion bereits wieder das Niveau des Jahres 1936.5
Das Lastenausgleichsgesetz vom 14. März 1952 sah schließlich Entschädigungen für erlittene Verluste an Wirtschaftsgütern, Wohnraum und der beruflichen Existenzgrundlage von Flüchtlingen und Vertriebenen vor.6 1958 bei der letzten Zählung der Flüchtlinge und Vertriebenen summierte sich ihre Zahl im Altkreis Böblingen und Landkreis Leonberg zusammen auf 34.671, was einem Anteil von 28,1 Prozent an der Gesamtbevölkerung entsprach. Über die Hälfte kam aus dem Sudetenland, ein weiteres Drittel bildeten die Flüchtlinge und Vertriebenen aus Jugoslawien, Ungarn und den deutschen Ostgebieten. 7
1 Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin vom 2. August 1945 auf http://www.documentarchiv.de/in/1945/potsdamer-abkommen.html (abgerufen am: 13.10.2020)
2 Vgl. Vom Lehn, Marcel, Herrenberg im Nationalsozialismus, S. 268; Weller, Arnold, Sozialgeschichte Südwestdeutschlands, unter besonderer Berücksichtigung der sozialen und karitativen Arbeit vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1979, S. 276.
3 Vgl. Kubin, Benno, Ankunft im Kreis Böblingen, in: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen, herausgegeben vom Bund der Vertriebenen (BDV), bearbeitet von Kubin, Benno, Sindelfingen 1992, S. 13 – 24, S. 13.
4 Vgl. Kubin, Benno, Die Zahl und die Herkunft der Vertriebenen im Kreis Böblingen, in: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen, herausgegeben vom Bund der Vertriebenen (BDV), bearbeitet von Kubin, Benno, Sindelfingen 1992, S. 38 – 39, S. 38.
5 Vgl. Pucher, Wilhelm, Die gewerbliche Wirtschaft, in: Theiss, Konrad / Baumhauer, Hermann (Hrsg.), Der Kreis Leonberg, Aalen 1964, S. 153 – 200, S. 173.
6 Weller, Arnold, Sozialgeschichte Südwestdeutschlands, S. 283.
7 Vgl. Kubin, Benno, Die Zahl und die Herkunft der Vertriebenen im Kreis Böblingen, S. 38.